Teil 3: Pinedale (Wyoming) – Del Norte (Colorado)

Atlantic City, Wyoming: Ungefähr 57 Einwohner, gelegen auf ca. 2.300m Seehöhe am Rande des „Great Divide Basin“. Als wir die völlig verschlammte Lehmpiste in die heruntergekommene, kleine Bergwerks-Siedlung runterrollen, ist uns sofort klar: Das mit der Basin-Durchquerung können wir uns angesichts des miserablen Zustands der Pisten aus dem Kopf schlagen. Tief hängen die Wolken. Landschaft und Siedlung wirken trostlos. Nicht mal zwei Stunden später radeln wir in heftigem Regen auf einem schnurgeraden Highway mit wenig Verkehr. Mangels an Alternativen schlagen wir unser klatschnasses Zelt direkt neben der Straße auf, schlüpfen mit unserer klammen Schi-Unterwäsche in den immer noch feuchten Schlafsack und versuchen uns gegenseitig zu wärmen …

 

Hier im mittleren Westen der USA kann man sich im Normalfall ab Mitte September auf die ersten Vorboten des Herbstes einstellen. Dass diese Vorboten aber so heftig ausfallen, stand natürlich nicht in der Statistik. Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel! Wieder einmal – oder besser gesagt noch immer – müssen wir uns mit unvorhersehbaren Wetterkapriolen rumschlagen und es scheint, als würden wir den spätsommerlichen Temperaturen und der Sonne vergeblich hinterherhecheln. Ein gefrorenes Zelt und vereiste Trinkflaschen am Morgen sind mittlerweile keine Besonderheit mehr, ständig wechselnde Bedingungen ein täglicher Begleiter. Irgendwie haben wir uns scheinbar damit abgefunden. An einem Tag wärmen uns angenehm herrliche Sonnenstrahlen, wenige Momente später sitzen wir bibbernd im Zelt und kochen uns heiße Schokolade zum Aufwärmen. Tags darauf checken wir in einem billigen Motel ein, trocknen unsere nasse Ausrüstung, nur um am nächsten Morgen mit 30 Zentimeter pappigem Neuschnee überrascht zu werden.

 

Doch wie überall im Leben hat jede Medaille zwei Seiten. Die Nachtfröste sorgen dafür, dass sich die Espenwälder Colorados von ihrer buntesten Seite zeigen. In strahlendem Gold leuchtet das dichte Blätterwerk, eine Augenweide für müde Radler und Landschaftsfotografen! Der „Indian Summer“ fasziniert uns jeden Tag aufs Neue und sorgt für unvergessliche Momente im derzeit eher harten Radler-Alltag. Abwechslung bieten uns auch die zahlreichen „Micro-Brewerys“, die es in nahezu jeder kleinen Stadt gibt und uns auf einen „Einkehrschwung“ einladen. Bier jenseits des US-Mainstreams. Mit Geduld und Liebe gebraut, Radler-Elixier vom Feinsten!

 

Geographisch befinden wir uns derzeit in einer sehr kontrastreichen und vielfältigen Gegend: Nach und nach tauschen wir die dichten Wälder der Rockies gegen karge Steppen, enge Canyons mit bizarren Felsformationen sowie hochalpine Landschaften ein. Im Südwesten Colroados und New Mexikos erwarten uns die höchsten Pässe und einige der einsamsten und anspruchsvollsten Abschnitte der „Great Divide“, unter anderem der mit 3.630m höchste Punkt unserer Reise: Der Indiana Pass. Hoffen wir mal, dass die Schneefälle über Nacht aufhören 😉

Frostige Grüße,
nandita