Anden Teil 1: Der längste Anstieg unseres Lebens

Von 0 auf knapp 5.000 Meter Seehöhe – und das gleich in unserer ersten Woche in Südamerika …

Wir waren gespannt, wie es sein wird. Ob die Erinnerungen in unseren Köpfen verklärt waren, ob wir uns die Dinge schöner geredet haben, als sie eigentlich waren. Aber nein. Nach knapp 3 Wochen in Peru wissen wir, dass uns das Land nach wie vor in seinen Bann zieht. Es ist wild, unberechenbar, knallhart und verzaubert einen gleichzeitig mit seiner majestätischen Landschaft.

Unsere Reise startet in der Hauptstadt Lima, die in den Wintermonaten unter einer dichten Nebeldecke verschleiert liegt. Es ist nicht gerade die beste Reisezeit für die Metropole. Lima zeigt sich uns in einem fahlen, trostlosen Licht. Umso glücklicher sind wir, als unsere Räder endlich im Hostal angeliefert werden. Wir bauen unsere “Veloträumer” zusammen, packen die Taschen und machen uns an die ersten 3.000 Höhenmeter auf der “Carreterra Central” nach San Mateo. Schön ist die Route nicht gerade, dichter Verkehr schiebt sich aus der Hauptstadt Richtung Andenhauptkamm. Trotzdem sind wir erstaunt darüber, wie sehr die (meisten) Autofahrer auf uns Acht geben. Wir wollen uns langsam an die Höhe gewöhnen, es nicht zu schnell angehen. Auf 3.149 Meter nehmen wir uns in der kleinen Stadt San Mateo ein Zimmer, geben unseren Körpern und Lungen einen Tag Zeit zur Akklimatisation.

In Rio Blanco kehren wir den stinkenden LKWs und rasenden Minibussen entgültig den Rücken zu und tauschen den glatten Asphalt gegen eine einsame, holprige Schotterpiste. Tritt für Tritt schrauben wir uns weiter in die Höhe. Wie Bergsteiger müssen wir nun einige Regeln beachten, um nicht der Höhenkrankheit zum Opfer zu fallen und uns nicht sofort ins “Aus” zu schießen. Immerhin liegt die erste Passhöhe gleich auf 4.930 Meter! Drei Tage nehmen wir uns Zeit, um den “Paso Ushuayca” zu erklimmen. Eine gute Entscheidung, denn wir erfahren von einem Lastwagenfahrer, dass zwei Amerikanerinnen, die vor uns gestartet sind, wegen Höhenproblemen abbrechen mussten. Schnaufend aber ohne Übelkeit und Kopfweh saugen wir die wilde Landschaft in uns ein, königlich thronen mächtige Gletscher auf den benachbarten Gipfeln und die eiskalte Luft brennt in unseren Lungen.

Die nächsten acht Tage sind geprägt von einsamen Landschaften, teils miserablen Pisten, kleinen Bergdörfern und sechs weiteren Pässen, die uns in Höhen von über 4.500 Meter bringen. Nur einmal brausen wir hinunter auf knapp unter 3.000 Meter, nur um gleich darauf wieder 2.000 Höhenmeter in einem Stück hochstrampeln zu müssen. Eine mühsame, aber in Summe mehr als lohnende Angelegenheit! Und jetzt können wir uns langsam wieder daran erinnern: Die Anden bringen dich im wahrsten Sinne des Wortes auf deine höchsten Höhen – und manchmal auch an deine tiefsten Abgründe.

Zwei Tage genießen wir nun bereits die Annehmlichkeiten der charmanten Stadt Huancavelica, die voll in den Vorbereitungen zum Unabhängigkeitstag am 28. Juli liegt. Endlich wieder einmal fließendes Warmwasser, frische Fruchtsäfte anstatt gefrorener Trinkflaschen und an jeder Ecke köstliche, peruanische Leckereien. Die Menschen gehen selbst hier, in der 50.000 Einwohner-Stadt, neugierig und offen auf uns zu. Nicht selten haben wir interessante Gespräche in kleinen Restaurants, die Schüler bombadieren uns förmlich mit Fragen, können nicht genug Wissen aus uns rausquetschen.
Auch in den abgelegen Regionen, durch die wir bereits gereist sind, ergeht es uns ähnlich. Die Peruanos sind wissbegierig, freundlich und immer für ein Späßchen zu haben 🙂

Morgen schwingen wir uns wieder in unsere Pedale. Es geht weiter auf einsamen Pisten und in luftige Höhen. Doch bevor es so weit ist, lassen wir es uns nochmal so richtig gut gehen und schlagen uns die Bäuche mit einem üppigen “Cena” (Abendessen) voll …

Herzlichst,
nandita