Anden Teil 3: Kakteen, Puna, Wettersturz

Unglaublich! Seit unserer Abfahrt von Arequipa sind nur knapp drei Wochen vergangen – die Erlebnisdichte lässt die Zeit aber wie drei Monate erscheinen. Die Route bringt uns vom behaglichen Klima Arequipas hinauf in´s raue Altiplano und endet im bolivianischen Copacabana, am höchst gelegenen schiffbaren See der Welt, demTiticacasee.

Anfangs radeln wir auf angenehmen Höhen durch eine von Landwirtschaft geprägte Gegend, bis uns ein langer Downhill im kakteengesäumten Tal des Rio Tambo ausspuckt. Auf 1.300 Meter Seehöhe ist es heiß, windig und staubig. Die Köpfe glühen, wir schwitzen aus jeder einzelnen Pore. Unsere Körper sind solche Temperaturen scheinbar nicht mehr gewöhnt. Von nun an geht´s wieder mal steil bergauf – diesmal gleich für drei ganze Tage am Stück! Mühsam schrauben wir uns in endlosen Serpentinen durch eine wüstenhafte Gegend hinauf. Die Anstiege sind fast durchgehend steil, nur selten gönnt uns die gnadenlose Topografie eine kurze Verschnaufpause. Wie gut, dass wir uns nicht alleine hier hoch quälen müssen, denn am zweiten Klettertag gesellt sich der französische Reiseradler Alex zu uns. In Gesellschaft radelt es sich doch etwas leichter.

Eines Abends, an einem Lagerplatz auf 4.600 Meter, keimt in uns eine spontane Idee auf. Nur unweit unserer Route liegt der 5.400 Meter hohe Vulkan Ticsani. Der Berg ist technisch ein Kinderspiel, lediglich die Höhe ist eine kleine Herausforderung. Aber wir sind alle gut akklimatisiert und motiviert und wollen die Chance nutzen, um den Gipfel zu erklimmen. Denn so einfach geht´s wahrscheinlich nie wieder mehr.

Tags darauf geht´s mit den Rädern hoch auf 4.900 Meter und dann zu Fuß weiter. Auch wenn das Schnaufen schwer fällt, die Ausblicke sind sagenhaft! Zwei Stunden später stehen wir auf dem höchsten Punkt, den wir alle drei jemals erreicht haben. In kurzen Hosen und leichter Jacke eine frische Angelegenheit! Der eisige Wind vertreibt uns schnell wieder nach unten. Im losen Geröll laufen wir jauchzend und johlend die steile Flanke in direkter Linie hinunter, was für Alex beinahe schlimme Folgen hat. Er übersieht einen großen Lavabrocken, stürzt und schrammt sich dabei sein Schienbein ordentlich auf. Nach einer ersten Schrecksekunde setzen wir unsere rasante “Abfahrt” fort und stehen keine halbe Stunde später wieder bei unseren Rädern.

Weiter geht´s, anfangs durch eine atemberaubende, von Lavasand und tiefblauen Lagunen geprägte Mondlandschaft. Nach einer eiskalten Nacht in einem heruntergekommenen Arbeitercamp beginnt das Wetter langsam umzuschlagen. Nicht nur einmal haben wir Glück, radeln zwischen bedrohlichen, tiefschwarzen Gewitterwolken. Links und rechts von uns gehen heftige Schauer nieder, Blitze zucken und der Donner scheint die Felsen um uns zertrümmern zu wollen. Manchmal aber erwischt es uns. Zumindest einen Vorteil bietet das Radeln auf Höhen ab 4.000 Meter: Der Regen fällt als Schnee und durchnässt einem zumindest nicht sofort die Bekleidung! Auch wenn solche Situationen nicht immer lustig sind, werden wir oft mit magischen Momenten und unvergesslichen Begegnungen belohnt. Wie zum Beispiel die heißen Thermalquellen zu denen uns Franzisco mit seinem Moped lotst, bevor ein heftiger Hagelschauer losbricht. Oder die Einladung von Fortunaldo und Faustina bei ihnen zuhause zu schlafen, anstatt unser Zelt im Regen aufzustellen.

Nach zwei harten Wochen erreichen wir etwas müde und verdreckt die Grenzstadt Desaguadero. Normalerweise braucht man sich von solchen Orten nicht all zu viel zu erwarten. Schmuggler, Schrotthändler und Geldwechsler dominieren die staubigen Straßen, schlechte Stundenhotels laden nicht gerade zu einem Aufenthalt ein. Heute aber ist alles anders, eine Fiesta ist in vollem Gange. Zu Ehren der “Virgen de la Natividad” findet ein bunter, lauter Umzug statt, den wir uns nicht entgehen lassen. Was für ein wunderschöner Empfang nach den vielen Tagen in der Einsamkeit!

Wenn die Peruaner feiern, dann richtig. Und wir lassen uns das nicht entgehen 🙂

Nach all den aufregenden Wochen haben wir uns eine Pause verdient! Etwas verkatert kommen wir bei strahlendem Sonnenschein in Copacabana, Bolivien, an. Wir finden eine wunderschöne Unterkunft und beschließen, die nächsten Tage hier zu bleiben. Unsere Waden freuen sich über die Ruhetage und die tägliche Dusche vertreibt den letzten Dreck aus unseren Poren. Das Wetter ist nach wie vor etwas unbeständig, trotzdem wollen wir wieder weiter … Richtung Sajama und Nord-CHile!

Wir schicken euch herzliche Grüße und wünschen euch einen wunderschönen, goldenen Herbst,
Andi & Anita