Teil 2: Helena (Montana) – Pinedale (Wyoming)

Meine Finger sind klamm, die Zehen taub, der Körper völlig ausgekühlt … Laut schnaubend quäle ich mich voran, stehen bleiben bringt jetzt auch nichts mehr. Schüttle meine Hände um Blut in die Finger zu bekommen, aber es funktioniert lediglich für einen Moment. Ich spüre nur den stechenden Schmerz in den Fingern. Die Handschuhe haben sich mit Schneewasser vollgesoffen, der eisige Wind tut den Rest dazu. Noch 13 Kilometer. Sie kommen mir vor wie eine Ewigkeit. Der einzige Lichtblick ist eine warme Dusche am Ende des Tages – und ein beheiztes Motel-Zimmer. Wind und Schnee klatschen mir ins Gesicht, es fällt mir schwer etwas zu sehen. Hände schütteln, pusten, treten – immer weiter, bis endlich die ersehnte Kreuzung vor uns auftaucht. Licht am Ende des Tunnels …

 

Gerade noch radeln wir im kurzen Shirt durch die Rauchwolken der mächtigen Waldfeuer in Montana, schon tragen wir alle Klamotten, die wir in den Taschen haben und kämpfen gegen den viel zu frühen Wintereinbruch in Idaho und Wyoming. Die Temperaturen sind im Keller, der Schnee ein täglicher Begleiter.

Knapp drei Wochen sind seit unserem letzten Blog-Eintrag vergangen. Drei Wochen voller Kontraste, und das nicht nur wetterbezogen. Da wären einerseits die ständig wechselnden Landschaften, durch die wir radeln. Üppig grüne Wälder wechseln sich mit kahlen, golden glänzenden Steppen, riesigen Weideflächen und abgelegenen Kleinstädten mit einer bunten, wenn auch im Vergleich zu Europa eher jungen Geschichte ab. Bären gibt es immer noch, aber bisher hatten wir noch keine unangenehmen Begegnungen mit ihnen. Lediglich Andis Socken zeigen massive Verschleißerscheinungen, nachdem sich eine Maus des nächtens in den dezenten Käsegeruch verliebt zu haben scheint.

Montana, Idaho und Wyoming sind typische „Cowboy-Staaten“ mit einer entsprechenden Kultur und einschlägigen Charakteren. Wer aber nun vermutet, dass die hier ansässigen „Hillbillys“ alle der konservativen Ecke angehören, der irrt. Bill zum Beispiel teilt uns ungefragt nach einer Minute mit, was er von seinem „Lovely President“ hält. Sein Rindfleisch hat der hauptberufliche Cowboy bisher in alle Welt verkauft, sogar bis nach Russland. Doch für die nahe Zukunft hat er so seine Zweifel. „Er kann einfach sein Maul nicht halten“, meint er und lächelt verschmitzt von seinem Pferd herunter. „Wer weiß, wie es weitergeht …“.

 

Ein Abstecher in den Yellowstone Nationalpark

Er ist der älteste Nationalpark der Welt, bietet wilden Bisons, Grizzlys, Wölfen und vielen anderen gefährdeten Tierarten Heimat. Eine außergewöhnliche Bergwildnis mit atemberaubenden Landschaften, heißen Quellen und den meisten Geysiren der Welt. Ein riesiger Supervulkan, dessen Ausbruch apokalyptische Auswirkungen auf das Weltklima haben würde … Um diese Superlative zu erleben, bräuchte es eine eigene Reise. Wir haben uns drei Tage lang Zeit genommen, um den Yellowstone N.P. mit einem Mietwagen zu bereisen. Fazit: WOW!

 

Wie eingangs schon beschrieben, erleben wir nach unserem Yellowstone-Besuch einen viel zu frühen Wintereinbruch in Idaho und Wyoming. Aufgrund der schlechten Wetterprognosen sind wir gezwungen, einige hohe Pässe zu umfahren. Über den Grand Teton Nationalpark geht es weiter nach Jackson und schließlich in die Kleinstadt Pinedale, wo wir uns derzeit von den letzten Schneestürmen erholen.

 

Vor uns liegt das „Great Divide Basin“, eine einsame, 10.000 Quadratkilometer große, fast unbewohnte Hochebene, die wir in den nächsten Tagen durchqueren werden. Wie sich die tagelangen Niederschläge auf die unbefestigten Pisten dort ausgewirkt haben, erzählen wir dann im nächsten Eintrag.

Alles Liebe,
nandita